Manchmal erzählen Briefe fast ein
ganzes Leben, manchmal sind sie Trost und stille Helfer. Und
manchmal hat eine kleine Geste eine unverhofft große Wirkung. So
erging es einem meiner Info-Briefe, den ich - als Rückumschlag mit
einem Aufklebeherzchen versehen - vor vielen Jahren an Frau M.
schickte, die Informationen über IPF haben wollte. Daß sie erst
Jahre später Mitglied wurde, mag ich registriert haben, aber ich
hatte dem keine Bedeutung zugemessen, zumal keine Erklärung
beigefügt war und es nicht selten vorkommt, daß Leute meine Infos
beiseite legen und irgendwann später (Umzug, Aufräumaktion etc.)
wiederfinden und doch noch abschicken.
Zusammen mit einem sehr langen, sehr
bewegenden Brief erhielt ich im März dieses Jahres jenen Umschlag
zurückgesandt ... Da es ein sehr persönlicher Brief ist, habe ich
Namen und Orte weggelassen.
O., d. 10 März 2002
Liebe Nikola,
darf ich Dich heute einmal mit
"Du" anreden? Schon lange möchte ich mich bei Dir einmal
bedanken. Durch Dich habe ich so viele liebe Menschen kennengelernt.
Dabei fing alles vor vielen Jahren an. Deinen ersten Briefumschlag
habe ich gut aufgehoben - heute bekommst Du ihn zurück. Wir hatten
eine Geschäftspleite hinter uns. Unser Haus wurde versteigert. Wir
flüchteten in unsere Ferienwohnung nach O. Nach wenigen Monaten
drohte dort auch die Versteigerung. Ich weiß nicht, ob Du verstehen
kannst, wie wir uns fühlten. 4 Kinder - 3 davon hatten wir
angenommen, mein Mann hatte schwerste Depressionen. Es war ein Stück
Hölle. Meine Freundin und ihr Mann ersteigerten das Haus, und wir
konnten wohnen bleiben. (...) Irgendwann fand ich Dein Inserat. Ich
hab Dir geschrieben. Ich hatte so Sehnsucht nach "normalem"
Leben, nach "normalen" Menschen. Ich hatte Dir den Umschlag
für Rückantwort beigelegt. Mit einem roten Herzchen kam er zurück.
(...) Es war keine Rechnung, keine Mahnung, einfach ein Umschlag mit
einem roten Herzchen. Er bedeutete mir sehr, sehr viel. Aber ich hatte
das Geld nicht für den Mitgliedsbeitrag. (...) Den Umschlag hab´ ich
gut aufgehoben. Manchmal hab´ ich ihn mir angeschaut und ein bißchen
geträumt.
Meine Eltern haben wir ihre letzten 4
Lebensjahre hier gepflegt bis zu ihrem Tod. Danach fühlte ich mich
sehr einsam. Alles war so still und so leer. In der Zeitung fand ich
ein Inserat: Eine Familie mit 3 Kindern suchte eine
"Leihoma". Das fand ich lustig. Ich habe mich gemeldet, und
ich bekam die Stelle. In der Familie bin ich heute noch. Von dem
ersten Geld, was ich bekam, hab´ ich Dir wieder geschrieben.
Dieses Mal konnte ich mir den Mitgliedsbeitrag leisten. (...) Von der
ersten Liste habe ich immer noch 8 Brieffreundinnen. Jedes Jahr kamen
einige dazu. Es haben sich wunderbare Freundschaften entwickelt.
Ich danke Dir dafür, ganz, ganz
sehr.
Herzliche Grüße
M.